fit10 diary – das Wunder der Wertschätzung

„Es wird kalt und immer kälter, ich werd´ abgebrüht und älter…“ …na das mit dem „kalt und kälter“ kann ich ob des Winters wegen nur bestätigen. Das von STS besungene Älterwerden liegt in der Natur der Sache ?. Aber „abgebrüht“?? Mitnichten. Zumindest ich persönlich habe den Eindruck, je älter man wird, umso sensibler nimmt man vieles wahr. Die Lebenserfahrung, einzelne Geschichten, Erlebnisse, Umstände und Entwicklungen innerhalb seines Lebens prägen und formen die eigen Gefühlswelt in jeglicher Form.

Vielleicht ist der Umgang mit manchen Situationen, die im jüngeren Leben Sorgen oder gar Schwierigkeiten auslösten, ein entspannterer. Vielleicht steckt man die eine oder andere Diskrepanz, Streiterei und Krise leichter weg, im Wissen der Erfahrung, dass auch diese Phase vorüber geht. Vielleicht nehmen wir Bilder des Krieges, der Gewalt und der Zerstörung mit einer gewissen Routine wahr, da eine Flucht aus der Informationsflut der unüberschaubar gewordenen Nachrichtenkanäle unmöglich geworden ist. Wertschätzung

Der Mensch hat seit Anbeginn gelernt stets Anpassungen vorzunehmen mit dem einzigen Ziel des Überlebens. Nicht nur die körperlichen Funktionen adaptieren sich an ihre Umwelt, wie etwa wenn man von heute auf morgen nach Sibirien zieht, in die Eiseskälte der Tundra. Auch die Gedanken, die Einstellung, das Innerste des Menschen passt sich den Umständen entsprechend an, um am Leben zu bleiben und bleiben zu wollen. Wir sind nicht abgebrühter! Ganz im Gegenteil! Eine Auflehnung, eine Revolte, ein Streit, das Schimpfen und Verurteilen von Meinungen, Menschen und Gegebenheiten ist alles andere als Abstumpfung. Genauso wenig wie das steigende Übergewicht der Gesellschaft ein Zeichen der Gleichgültigkeit ist. Das Lebensmittelüberangebot trägt eine Teilschuld an dieser Zivilisationserscheinung Übergewicht, doch letzten Endes füllen wir unsere Einkaufswägen selbst. Dies tun wir primär aus Gründen des Überlebens, der Versorgung, aber sekundär immer mehr auch der Kompensation wegen. Essen beruhigt, entspannt, belohnt, befriedigt. In der heutigen Zeit, in der alles so schnell kommt, geht, vergeht und läuft, bleibt keine Zeit zum Innehalten, Setzenlassen und Verarbeiten. Kaum ist das Eine Vergangenheit, kommt schon das Andere in die Gegenwart, in der Zukunft wartet schon das Nächste.

Mittlerweile erkennt man, dass Zeit, vor allem freie Zeit, Mangelware ist. Lieber möchte man die Überstunden als Zeitausgleich, doch diesen Luxus bekommt man nicht immer gewährt. Ergibt sich ein unerwartetes Zeitfenster der Freiheit, ist man mehr als überfordert, weil einerseits ungewohnt, und andererseits hat man plötzlich Zeit für all jene Dinge die ob des Mangels an Zeit stets aufgeschoben wurde. Schnell wird aus dem Zeitpuffer ein Stressmacher. Wo sind wir da nur gelandet? Zu welcher Leistungsgesellschaft haben wir uns entwickelt? Und dabei wird die erbrachte Leistung nicht einmal gebührend wertgeschätzt, denn welche Leistung ist dies überhaupt wert?  Kein Lob, kein anerkennendes Klopfen auf die Schulter, vielmehr ist vieles eine Selbstverständlichkeit. Dabei gerät in Vergessenheit, dass der Mensch und sein Innerstes von Anerkennung, von Wertschätzung, nicht zuletzt von Mitgefühl getragen wird. Kommt dies abhanden, wird es nicht gezeigt, gesagt und gelebt, dieses wertschätzende Miteinander, muss das menschliche Wesen Strategien entwickeln um, wie schon zu Beginn genannt, zu überleben.

Ein Lob löst eine Hormonausschüttung aus, die das Gehirn und letzten Endes die Seele befriedigt. Schokolade, Kuchen, Junk Food und Co schaffen das tatsächlich in einem ähnlichen Ausmaß. Ein Teufelskreislauf ist dadurch entstanden: Kompensation durch Nahrungszufuhr führt zu Gewichtsveränderungen, dies wiederum führt zum Wunsch der Gewichtsreduktion. Der Erfolg auf der Waage übernimmt kurzerhand die Befriedigung des Gehirns. Langfristig ist ein tagtäglicher Erfolg auf der Waage, und damit eine Bestätigung, ein Lob, nicht realistisch. Natürliche Schwankungen, oder ein erreichtes Ziel beenden die positiven Konfrontationen mit der Waage. Die Bestätigung bleibt aus, die das Gehirn und auch Seele brauchen. Gibt es weiterhin keine Wertschätzung von außen, schnappt die Falle zu, und es wird auf das Kompensationsessen zurückgegriffen. Dadurch steigt das Gewicht, gemeinsam mit dem Frust, usw. usw. usw.

Ein Lob, das ehrlich gemeint ist, schafft in jedem Fall Freude. Das Besondere dabei ist, dass eine derartige Wertschätzung eine wesentliche Veränderung herbeiführt. Nicht nur bei seinem Gegenüber, auch bei sich selbst. Bei einer Person, die einem nicht sympathisch ist, aus welchen Gründen auch immer, ein berechtigtes Lob auszusprechen ist sehr schwer. Doch das Wunder, dass dann dabei eintritt, ist diesen Versuch wert. Entscheidend dabei ist, die von Herzen gemeinte Ehrlichkeit dieser Wertschätzung, diese Lobes. Aus Streitdiskussionen weiß man, dass harte Worte, zu noch härteren führen. Warum soll das nicht auch umgekehrt möglich sein? Jemandem seine Abneigung/Ablehnung kundzutun ist scheinbar leichter, als Zuneigung oder Akzeptanz mitzuteilen. Wir sind nicht abgebrüht, wir haben uns nur etwas zu sehr in Richtung Nihilismus bewegt, und es ist uns ob der aktuellen Zeiten nicht ganz zu verdenken.

Die Entwicklung von Übergewicht ist multikausal, und es wäre wirklich naiv und auch fahrlässig einen einzigen Schuldigen zu demaskieren. Vielmehr ist es eine Summe aus vielen Gegebenheiten, Umständen, auch Prägungen.

In meiner Arbeit steht die Wertschätzung und das Lob meinen Klient/Innen gegenüber ganz hoch oben. Es ist ein wunderbares Miteinander. Ein toller Beruf, den ich deswegen ausübe, und in dieser Form ausüben kann, weil ich ein wunderbares, wertschätzendes Elternhaus hatte und habe. Meine liebe Mama ist eine brave Leserin meines Newsletters, daher wird jetzt wohl ihr großes Herz einen kleinen Sprung gemacht haben ?.

Die Hälfte von fit10 ist geschafft, wie toll ist das denn!!! Und es gilt dran zu bleiben, auch wenn es etwas holprig war, wie etwa bei mir. Das macht nichts. Veränderungen dürfen dauern. Man darf sich die Zeit nehmen, die es dazu braucht. Und man darf auch auf sich selbst stolz sein, es zu probieren, dranzubleiben, oder einfach wieder einzusteigen. Vielleicht ergibt sich demnächst die Möglichkeit jemanden völlig unerwartet wertzuschätzen, und dieses positive Gefühl zu spüren, das einen dann trägt, Freude bringt, und vielleicht die sonstige Kompensation mit Süßem und CO verschwindet. Vor kurzem habe ich bei mir im Supermarkt einer jungen Kassiererin spontan gesagt, dass ich mich am liebsten bei ihr anstelle, weil sie so freundlich und auch flott ist. Die Reaktion dieser jungen engagierten Frau war rührend. Unter ihrer Bescheidenheit leuchtete, nein sprühte förmlich ihr Stolz hervor. Es war so einfach, so schön, und so sehr wirksam für uns beide.