Neue Motivation mit alten Vorgaben möglich?

Ein besonderer Herbst, eine herausfordernde Zeit, aber eine Möglichkeit sich neu zu ordnen in seiner Ernährung….doch ist „neu“ wirklich immer gut? Der traditionelle heimische ach so „alte“ Apfel muss sich stark gegen die exotischen „neuen“ Obstsorten behaupten….aber nicht nur der Apfel…..

Herbst ApfelHeute scheint endlich wieder die Sonne. Sie strahlt mit ihrer ganzen Kraft und vermittelt Wärme. Die letzten Regentage sind vergessen. Man spürt den Drang nach draußen, nach Bewegung, nach einer schönen Zeit im wunderbaren Freien. Man spürt die positive Stimmung in sich wachsen und die damit verbundene Motivation den Tag besonders gut zu meistern. Das starke Sonnenlicht verdrängt mit all seiner Kraft den großen Schatten der aktuell sehr herausfordernden Zeiten.

Kennt ihr das? Eine neue Idee zur Verbesserung der Fitness, eine neue Strategie zur Optimierung des Gewichts….. das Neue hat eine Strahlkraft wie die herbstliche Sonne. Sie lässt die Motivation und die Hoffnung schier endlos in den Himmel wachsen. Etwas Neues hat etwas Faszinierendes, ja beinahe Magisches, denn plötzlich ist sie wieder da, die Willenskraft. Zuvor war sie noch völlig aufgebraucht, verschlungen, und verloren in den Tiefen der Verzweiflung und der Unlust aufgrund des wieder mal gescheiterten Versuchs sein Gewicht endlich in den Griff zu bekommen. Doch „das Neue“ verursacht einen Kick, einen Tritt, einen Turboenergieschub, der einen Dinge tun lässt, die man nicht für möglich gehalten hat. Fiktives Beispiel: Wenn „das Neue“ folgendes vorschlägt: „Esse täglich 12 grüne Linsen, 5 Walnüsse, und 200ml Sojajoghurt, zusätzlich isst du das was du möchtest. Gehe täglich 20min rückwärts, und schlafe ab jetzt mit dem Kopf am Bettende. Auf diese Art wirst du deinen Stoffwechsel aktivieren, deine Zellen werden sich verjüngen, und dein Fett löst sich auf!“, so wird alles bisher Gehörte, Gelernte und Probierte unbewusst im Geiste vermischt, und unterm Strich kommen möglicherweise folgende Gedanken heraus: „Ja das klingt logisch, denn Linsen und Soja sind sehr gute wichtige Eiweißlieferanten, Nüsse enthalten wertvolles Fet. „essen was ich möchte“…haha…ich werde ganz bestimmt ganz wenig essen. Oh cool „rückwärts gehen“..sehr aufregend, wird sicher etwas schwierig in der Umsetzung, aber ist bestimmt deswegen so effektiv, immerhin muss das Gehirn umdenken lernen. Und am anderen Bettende schlafen verbessert womöglich auch mein Schlafverhalten.“

Neues lässt neue Hoffnungen wachsen, denn das Alte hat bisher eh nicht funktioniert, zumindest nicht dauerhaft, deswegen kann vermeintlich ja auch nur etwas Neues helfen. Das Neue lässt sehr gerne das Alte vergessen: die negativen Gefühle, den Hunger, das Kasteien, der morgendliche Druck beim Schritt auf die Waage….all das ist verschwunden oder besser noch wurde verdrängt, von der Hoffnung und der neuen Willenskraft. Es scheint je schwieriger die Aufgaben sind, desto größer ist die Motivation, doch desto schneller ist die Sonne verschwunden, und dunkle Wolken werfen wieder ihren Schatten. Was bleibt ist noch mehr Chaos im Kopf, noch mehr Frustration aufgrund des Scheiterns, und letzten Endes vielleicht sogar noch mehr Kilos auf der Waage.

Man sollte sich bewusstwerden, dass es im Gewichtsmanagement nicht um Symptombekämpfung geht, sondern um Ursachenfindung. Alles „Neue“ versucht einzig das Symptom „Übergewicht“ zu bekämpfen. Als Vergleich: Wenn man Verstopfung hat, dann hilft üblicherweise ein Abführmittel aus der Apotheke. Man nimmt das Abführmittel, kann dadurch wieder auf die Toilette gehen, alles ist gut. Oder??? Auf gar keinen Fall ist alles wieder gut. Warum habe ich überhaupt Verstopfung? Was kann ich ändern, um diesen Zustand zu verbessern. Bleibe ich beim Abführmittel, wird es irgendwann nicht mehr wirken, ich brauche eine größere Menge, oder ein stärkeres Produkt, mein Darm wird dadurch noch träger, und ich komme aus dem Teufelskreislauf nicht heraus.

Ernährungsformen die mit der eigenen Lebenssituation nicht dauerhaft vereinbar sind, können keinesfalls nachhaltig hilfreich sein. Veränderungen der eigenen Ernährung sind ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Gewichtskorrektur. Doch wenn man seine Einstellung und sein Verständnis für seinen Körper nicht mit verändert, wird man keinen nachhaltigen Erfolg haben können.

Wenn man selbst, oder mit Hilfe eines Ernährungscoach herausfindet, warum man tatsächlich mit dem Gewicht kämpft, dann kann man auch besser lernen, Veränderungen Schritt für Schritt in sein Leben zu lassen. Es wäre zu einfach und auch fatal zu glauben, dass zu viel Körpergewicht nur daran liegt, dass man gerne und viel isst. Die Lebensumstände im Gesamten sind mannigfach für das Essverhalten entscheidend.  Die Ernährung ist tatsächlich schnell umgestellt, auch der Erfolg ist rasch spür- und sichtbar. Doch die richtige Einstellung zu diesem Thema kann erst nach und nach reifen und sich entwickeln.

Wenn es etwas „Neues“ sein muss, um Motivation zu erhalten, so darf es womöglich ein neues Kleidungsstück sein, eine exotische neue Zutat, ein neues Restaurant, eine neue Spazier- oder Laufrunde, eine neue Kraftübung und gerne auch ein neues Buch. Doch lieber kein Ernährungsbuch, denn es birgt die Gefahr von „neuem Sonnlicht“, welches die Vernunft für den Moment wieder überstrahlt.

Gestern war eine Klientin in meiner Praxis, die bereits einen recht guten Erfolg bei der Gewichtsreduktion zu verzeichnen hat. Sie war nun im Urlaub, und es gab auch die eine oder andere Feier. Bevor sie auf die Waage stieg, sagte sie noch, dass sie froh darüber wäre, wenn sie das Gewicht gehalten hat. Und das hat sie!! Die Waage zeigte das gleiche Gewicht wie beim letzten Mal, doch die Bio Impedanz Messung zeigte sogar eine weitere Fettreduktion an, da sie aufgrund der Feiern (Alkohol) etwas mehr Wasser eingelagert hatte. Also war es in Wahrheit ein großartiger Erfolg. Sie hat sich auch darüber gefreut. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer, denn sofort ging sie mit ihr selbst sehr schwer ins Gericht. „Ich bin so blöd! Ich verstehe das nicht, warum esse ich jetzt wieder den Kuchen zum Kaffee? Ich hätte sicher viel mehr abnehmen können!“ usw. Zuerst war die Sorge, einer möglichen Gewichtszunahme, dann folgt die Freude über den Erfolg, und diese wurde rasch von der eigenen Enttäuschung und Unzufriedenheit abgelöst. Drei intensive Emotionen innerhalb von nur zwei Minuten. Das ist nicht nur unglaublich anstrengend für diese Person, sondern es ist destruktiv für das weitere Vorgehen.

Es kommt nicht selten vor, dass Klienten mit sich selbst sehr streng sind. Erfolgreich zu sein bedeutet auf gar keinen Fall immer die gleiche Gewichtsabnahme pro Termin zu haben. Es ist auch ein Erfolg das Gewicht zu halten, oder womöglich sogar mal eine geringe Gewichtszunahme zu haben. Erfolg bedeutet in Wahrheit auch dranzubleiben und weiter zu machen. Das Leben ist wie eine Achterbahn, mal geht es rauf und runter, mal ist es leichter, dann schwieriger. Der Mensch ist keine Maschine, mal nimmt er das Leben leichter, mal schwieriger. So ist es dann natürlich auch mit der Ernährung. Mal klopft das alte Verhaltensmuster an, und nicht immer hat es man sofort wieder im Griff. Entscheidend ist, wieder raus zu kommen und zurück zum neu erlernten Verhalten. Und es ist keine Schande sich dabei helfen zu lassen, wenn man es selbst nicht schafft. Allerdings einen Weg zu verlassen, der sich bereits für einen selbst etabliert hat, nur weil er nicht mehr „neu“ ist, wäre fatal. Dran bleiben, durchtauchen, weitermachen….. dran bleiben, durchtauchen, weitermachen….. jedes „Neue“ ist irgendwann nicht mehr neu, und dann?

Nehmen wir gerne den Herbstnebel und die Wolken in Kauf, und freuen uns umso mehr, wenn Sonnenstrahlen durchdringen und uns wärmen. Das Projekt „Gewichtsmanagement“ kann so wie der Herbst auch, nicht nur sonnig sein.